„Der SMV-Erlaß ist ein Exempel orthogonal affiner Projektion faschistoider Repräsentationstendenzen“.
Schülermitverwaltung wird zu Schülerselbstverwaltung
Mit dem im Titel zitierten Argument zogen die Schülerinnen und Schüler des Münsterschen Hittorf-Gymnasiums gegen den SMV-Erlass der Kultusministerkonferenz vom 28.10.1968 ins Feld. Ihrer Kritik gaben sie – typisch für die Zeit um 1970 – eine sprachliche Form, die nicht nur Außenstehenden, sondern auch vielen der Protestler kaum verständlich war. Mit diesem Sprachstil lehnte man sich an einen Wissenschaftsjargon an, wie er von den SDS - Aktiven benutzt wurde.
An der Kritik an einer Schülermitverwaltung (SMV), die „in das autoritär-hierarchische Schulsystem integriert“ und „in ihrer Arbeit vom Schulleiter abhängig“ sei – so ein zeitgenössisches Flugblatt aus Minden – änderte das freilich nichts: Die Schülerinnen und Schüler forderten eine Demokratisierung der Schule. Sie wollten ihre Interessen durch ein selbstgewähltes Gremium vertreten sehen, welchem in Hinblick auf die Notengebung oder auch in Schulkonferenzen weitreichende Kompetenzen zukommen sollten.
Das Konzept einer Schülermitverwaltung stammt bereits aus der Weimarer Republik. Durch die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an allgemeinen Aufgaben wie Ordnung auf dem Pausenhof oder der Organisation von Festen sollte ihr Verantwortungsbewusstsein gefördert werden. Mit dem Ziel einer Demokratisierung der Schulen griffen die Alliierten dieses Konzept in der Nachkriegszeit wieder auf, ohne es weiter zu konkretisieren. So wurde an den deutschen Schulen letztlich eine SMV institutionalisiert, die nicht in der Lage war, den Demokratisierungsprozess an den Schulen voran zu treiben, weil ihr keine echten Kompetenzen zugestanden wurden. Auch der Erlass der Kultusministerkonferenz von 1968 und die an ihn angelehnten Erlasse in den einzelnen Bundesländern änderten hieran nichts.
So verwundert es nicht, dass im Laufe der 1960er-Jahre ein Großteil der Schülerinnen und Schüler der SMV mit Desinteresse oder Ablehnung begegneten (teilweise kam es auch zu Selbstauflösungen), weil diese – so der Vorwurf – in der hergebrachten, institutionell verankerten Form ihre Interessen nicht vertreten konnte. Einer unserer Zeitzeugen beschreibt die Sicht der Schülerinnen und Schüler mit folgenden Worten: „Damals hieß es ja Schülermitverwaltung (…). Und wir haben uns dann sehr an dem ‚mit‘ gestört und gesagt: ‚Das muss da raus! Wir wollen selbst verwalten!‘ Im Grunde ist das bis in die 70er-Jahre gegangen, dass Schüler sich an der eigenen Entwicklung beteiligten und nicht immer nur alles vorgesetzt bekamen und alles schluckten, was ihnen vorgesetzt wurde.“
Christiane Cantauw